Kurz vor Beginn der Sommerferien beendete die Klasse 7b der Ostschule ihre Teilnahme am Projekt „Junges Literaturland Hessen“ erfolgreich. Im Laufe des 2. Halbjahrs erhielten sie die Chance, im Lotte- und Jerusalemhaus Wetzlar von der Autorin Saskia Hennig von Lange zum Schreiben von Texten inspiriert zu werden. Dabei entstanden u. a. emotionale Briefe aus der Sicht von Lotte, die sich wegen ihrer Gefühle für Werther von Albert trennt, oder spannende Geschichten eines Forschers rund um magische Museumsgegenstände. Zurück in der Schule tippten die Schülerinnen und Schüler ihre Texte am PC ab, lasen sich die korrigierten Versionen mehrfach vor und trafen eine Vorauswahl an Texten, die sich für eine Vertonung besonders eignen würden. Anschließend wanderte das mehrseitige Textmaterial noch durch die Hände der Literaturpatin Hennig von Lange sowie über den Schreibtisch der beiden hr2-Redakteurinnen und Medienpädagoginnen Maria Bonifer und Juliane Spatz, die Mitte Juni mitsamt fünf ausgewählter Texte und technischem Equipment aus Frankfurt für zwei Workshop-Tage an die Ostschule kamen.
Am ersten Workshop-Tag führten Bonifer und Spatz mit der Klasse einige Stimm- und Sprechübungen durch und zeigten verschiedene Möglichkeiten auf, Geräusche mithilfe von Alltagsgegenständen zu erzeugen. Zur großen Freude aller nahmen sie sich auch viel Zeit, Töne aufzunehmen, welche die Schülerinnen und Schüler mit ihren mitgebrachten Blasinstrumenten erzeugten. Als schließlich die Aufforderung lautete: „Jetzt müsst ihr nicht nur leise, sondern mucksmäuschenstill sein“, war der große Moment der Tonaufnahmen mit Mikrofon und Aufnahmegerät endlich gekommen, der den damaligen Sechstklässlern noch einmal viel Durchhaltevermögen und Konzentration abverlangte. Schließlich standen bei der Aufzeichnung der Textcollage „Ich packe meinen Koffer, und tu‘ hinein“ immerhin 28 Personen auf engstem Raum aneinander und setzten sich sprachlich betont als Lotte oder Werther in Szene. „Als wir die Collage aufgenommen haben, fand ich es toll, dass jeder einen Text zum Sprechen bekommen hat und die ganze Klasse zusammengearbeitet hat“, sagte eine Schülerin.
Am zweiten Workshop-Tag erhielten die Schülerinnen und Schüler eine Einführung in die Arbeit mit einem Audioeditor und -rekorder. Danach bekamen sie die Aufnahmen vom Vortag vorgespielt und versuchten, die Stimmen ihrer Klassenkameraden zu identifizieren. Nachdem der erste Schock über den Klang der eigenen Stimme schnell verarbeitet war, hörte man sich in Partner- oder Gruppenarbeit über einen Verteiler am PC die aufgenommenen Hörtexte aufmerksam mehrfach an, um Störgeräusche zu entfernen und aus alternativen Tonspuren die wohlklingendste auszuwählen. Auf das Schneiden der Hörbeiträge folgte unmittelbar das Hinzufügen von Geräuschen, wobei sowohl auf Töne aus dem Fundus des Hessischen Rundfunks als auch auf Töne der eigenen Blasinstrumente zurückgegriffen werden konnte.
Am Ende der beiden Projekttage waren somit aus selbst geschriebenen Texten potenzielle Radiobeiträge entstanden. „Dass es so viel Zeit beansprucht, einen Text zu vertonen, hätte ich nicht gedacht“, fasste eine Schülerin die Gedanken aller zusammen. Die Versionen der vertonten Texte stellten die beiden hr2-Medienpadägoginnen in Frankfurt fertig, während die 7b in Gießen zusätzlich noch Bilder zu den Hörbeiträgen malte und passende Fotos der Museumsgegenstände auswählte. Somit gelang es nur durch die Zusammenarbeit der ganzen Klasse, eine historische Szene auf dem Wetzlarer Markt, eine Collage, einen Brief aus der Sicht von Albert sowie zwei Briefe von Lotte zu vertonen. Trotz ihres jungen Alters ist den entstandenen Schülerarbeiten zu entnehmen, dass der im Literaturunterricht intendierte Perspektivwechsel geglückt ist. Mitunter werden stellenweise sogar harte Worte an Albert gerichtet wie „Übrigens: Das Kind in meinem Bauch ist nicht von dir“ oder „PS: Ich habe die Waffe mitgenommen, deshalb denk‘ nicht mal dran“.
Alle entstandenen Projektergebnisse der Ostschüler und zwei weiterer teilnehmenden Klassen sind unter dem Link https://www.hr2.de/gespraech/kulturgespraech/kulturszene-hessen–5-jahre-junges-literaturland-hessen-,id-kulturszene-502.html online abrufbar. Am 15. September werden die Hör-Ergebnisse und O-Töne zum Projekt in hr2-kultur um 12.00 Uhr in der Kulturszene im Rahmen einer einstündigen Sendung separat vorgestellt.
Text und Bild: Kathrin Kout (Klassenlehrerin der 7b)